Anette Langner: Zurück auf die Schulbank

Veröffentlicht am 27.06.2007 in Landespolitik

Abgeordnete im Praxistest.

Die Schullandschaft Schleswig-Holstein ist im Umbruch. Bildung steht als eines der zentralen Themen auf der politischen Agenda im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Der Bildungsauftrag in Kindertagesstätten, die Zukunft der Allgemeinbildenden Schulen, Ausbildung, berufliche Weiterbildung, die Umwandlung der Berufsschulen in regionale Bildungszentren – all das sind Facetten eines umfassenden Bildungsbegriffs und der Zielsetzung, Kindern und Jugendlichen durch ein möglichst optimales Bildungsangebot einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen.

Das im Januar dieses Jahres vom Landtag verabschiedete Schulgesetz führte auf allen Ebenen mit Lehrern, Eltern, Schülern und den als Schulträger verantwortlichen Kommunalpolitikern zu Diskussionen, Erwartungen und einem großen Informationsbedarf. Als SPD Abgeordnete war ich in vielen Orten und bei vielen Veranstaltungen in meinem Wahlkreis an diesen Diskussionen beteiligt.
Eine meiner Prioritäten meiner politischen Arbeit im Landtag und natürlich auch im Wahlkreis ist: so nah wie möglich an der Praxis und an den Problemen zu sein, um bei Entscheidungen umfassend informiert zu sein um möglichst viele Aspekte berücksichtigen zu können.
Meine Entscheidung stand fest: ich wollte den Schulalltag einmal ganz direkt und ungefiltert erleben. Ich hatte mir für diesen Praxistest das Schulzentrum in Lütjenburg ausgesucht, weil dort Hauptschule, Realschule und Gymnasium an einem Ort sind. Die Schulleitungen waren offen für meine Idee und haben für mich ein Programm organisiert, so dass ich an zwei Tagen die Möglichkeit hatte, den Unterricht in verschiedenen Fächern, Klassenstufen und Schularten zu erleben.
Erdkunde, Deutsch, Biologie und Geschichte, eine Vertretungsstunde in Verkehrserziehung: Es waren zwei spannende und eindrucksvolle Tage, die mir den Einblick in den heutigen Schulalltag ermöglichten. Ich will vorweg sagen, dass ich großen Respekt habe, vor der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern, die unter zum Teil schwierigen Bedingungen sehr motiviert guten Unterricht machen. Über die unkomplizierte Bereitschaft, mich am Unterricht teilnehmen zu lassen, habe ich mich sehr gefreut.
Ich will hier die fünf wichtigsten Eindrücke schildern:
1. Unterricht ist sehr geprägt von der Persönlichkeit und den Fähigkeiten des Lehrers/der Lehrerin. Die Bereitschaft und Motivation auch unter nicht optimalen Bedingungen (zum Beispiel Ausstattung, Räumlichkeiten, Unterrichtsmaterial, Klassengrößen) guten Unterricht zu organisieren, ist groß. Das hat mir sehr deutlich gemacht, wie wichtig die Ausbildung und kontinuierliche Fortbildung von Lehrer/innen ist.
2. Unser bisheriges Schulsystem lässt nach meinem Eindruck wenig Möglichkeiten Schülerinnen und Schüler nach ihren individuellen Fähigkeiten zu fördern. Dieses System ist ausgerichtet auf möglichst homogene Lerngruppen, die es in der Realität selten gibt. Dennoch habe ich auch sehr interessante und offensichtlich erfolgreiche Ansätze eines binnendifferenzierten Unterrichts kennen gelernt.
3. Das weit verbreitete Vorurteil über Hauptschulen als Restschulen mit überwiegend problematischen Schülerinnen und Schülern habe ich in Lütjenburg in keiner Weise bestätigt gefunden: ich war sehr positiv beeindruckt von dem Unterricht und der Art und Weise, wie Schülerinnen und Schüler dort gefördert werden und sich in den Unterricht einbringen. Beeindruckend fand ich, dass in der Abschlussklasse, die ich besuchte, alle Schülerinnen und Schüler einen Ausbildungsplatz, einen weiterführenden Schulplatz oder eine andere Anschlußperspektive anderer Art hatten. Das ist ein positives Beispiel dafür, wie viel man mit Engagement bewegen kann.
4. Deutlich ist mir in diesen zwei Tagen auch geworden, dass Schulsozialarbeit, wie es sie in einem Modellprojekt am Schulzentrum in Lütjenburg gibt, im Schulalltag unabdingbar ist.
5. Für eine schulartübergreifende Zusammenarbeit, wie sie sich im Schulzentrum Lütjenburg anbietet, spricht u.a. die daraus erwachsende Durchlässigkeit zwischen den Schularten, nicht nur von “oben nach unten” in Form von Rückstufungen, sondern ebenfalls die Chance als Seiteneinsteiger in weiterführende Klassen zu gelangen. Dafür gibt es am Hoffmann-von-Fallersleben-Schulzentrum viele positive Ansätze.

Diese zwei Tage auf der Schulbank haben mir wieder einmal gezeigt, wie wichtig und beeindruckend diese Praxiserfahrungen sind. Ich bedanke mich herzlich will bei allen Beteiligten, die mir diese Einblicke ermöglicht haben.
In Lütjenburg wird, wie vielerorts, noch über die Konsequenzen und Perspektiven aus dem neuen Schulgesetz diskutiert. Die entscheidende Frage dabei ist: Regionalschule oder Gemeinschaftsschule? Diese Frage stand natürlich auch bei meinen Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern und mit den Schulleitungen im Mittelpunkt des Interesses. Es gibt für beide Wege Argumente, aber es wird leider auch oft auf der Basis unzureichender Informationen diskutiert. Deshalb wird es in den nächsten Monaten eine wichtige Aufgabe sein, auf allen Entscheidungsebenen Lehrer, Eltern, Schüler, Kommunalpolitiker noch intensiver zu informieren, um dann eine zukunftsweisende Entscheidung für das Schulzentrum Lütjenburg zu treffen. Den deutlich formulierten Wunsch der Elternvertretungen sich eindeutig für eine Gemeinschaftsschule auszusprechen, dürften sich Schulträger und andere Verantwortliche eigentlich nicht entziehen, zumal eine optimale Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Kindern und Eltern die beste Voraussetzung für einen funktionierenden gemeinsamen Bildungsauftrag ist.
Anette Langner, 7.6.2007

 

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